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Wie es ist, mal ein Ausländer zu sein

Wie es ist, mal ein Ausländer zu sein

Ausländer. Wenn jemand dieser Wort hört, hat man zumeist ein stereotypisches Bild vor Augen. Zumindest geht bzw. ging es mir so. Grob stelle ich mir als einen Ausländer einen Türken vor. Vielleicht eine Türkin, und um dem Klischee richtig gerecht zu werden, mit Kopftuch und gebrochenem Deutsch. Mir ist klar, dass es sich um ein Vorurteil handelt und in den meisten Fällen doch nicht zu trifft. Nichtsdestotrotz führt der Begriff Ausländer doch zu gewissen Assoziationen. Wie dem auch sei, diesmal ist es mal umgekehrt.

Letzte Woche noch durfte ich mir anhören, dass wir Ausländer in Malta schuld daran seien, dass die Miet- und Immobilienpreise immer mehr steigen. Ob das wirklich so wahr ist, ich weiß es nicht. Aber so ist es nun mal mit den Vorurteilen, die man sich so anhören kann. Hier in Malta sind das die Mietpreise (die nun mal wirklich stetig steigen), und in Deutschland hört man, dass die Ausländer „uns Deutschen“ alle Jobs wegschnappen. Außerdem begehen nur die Ausländer Straftaten. Und generell sind die Ausländer schuld an allem. Und diese Gedanken kann ich sogar ein wenig verstehen. Es ist nun mal bequem dem „Ausländer“ die Schuld zuzuschieben.

„Viele Leute denken, die anderen, die Fremden, würden ihnen etwas wegnehmen, was sie noch gar nicht haben.“

(Louis Malle, französischer Regisseur, 1932–1995)

 

Was einen Ausländer ausmacht

Eins vorweg: So ganz wirklich fühle ich mich gar nicht als Ausländer. Vielleicht, weil Malta so international ist, und Ausländer hier völlig normal sind. Vielleicht aber auch, weil ich mich zuvor noch nie als Ausländer gesehen oder gefühlt habe, und jetzt nicht wüsste, warum ich mich auf einmal anders fühlen sollte. Und nur weil ich in einer anderen Nation geboren worden bin, muss das nicht heißen, dass ich nicht auch woanders mein Zuhause haben kann. Einen Ort, an dem ich mich wohlfühle. Malta ist jetzt mein Zuhause, so wie jede andere fremde deutsche Stadt es auch hätte werden können. Und das ist für mich ganz und gar nicht komisch. Ganz im Gegenteil, für mich fühlt es sich völlig normal an, hier zu leben.

Grundsätzlich würde ich sagen, dass der Begriff Ausländer Menschen bezeichnet, die sich in einem fremden Land befinden. Einem Land, in dem sie nicht geboren sind, oder dessen Staatsangehörigkeit sie nicht haben. Eigentlich ein relativ nüchterner Begriff. Der Fakt allerdings, dass das Wort Ausländer oft eine negative Konnotation hat, verändert den Blick auf die Sache aber. Ausländer. Irgendwie impliziert dieser Begriff doch, dass jemand nicht von hier ist. Das dieser Jemand nicht hierhin gehört. Manchmal könnte man den Begriff Ausländer sogar schon fast als Schimpfwort ansehen.

Treffe ich hier in Malta neue Leute, ist eine der ersten Fragen: Woher kommst du? Als ob es auf meiner Stirn geschrieben steht, dass ich nicht von hier bin. Naja, vermutlich steht es auf meiner Stirn geschrieben, sehe ich doch mit meinen roten Haaren ganz und gar nicht südländisch und somit maltesisch aus. Umso mehr freue ich mich, wenn mich Leute wie selbstverständlich auf Maltesisch ansprechen.

Auf der einen Seite frage ich mich, hey, sehe ich irgendwie maltesisch für dich aus? (Und ja, dass ist mir wirklich schon einige Male passiert!). Auf der anderen Seite bin ich aber auch dankbar, dass man nicht einfach annimmt, dass ich Ausländer bin.

Und spätestens wenn mich Leute besser kennenlernen, kann ich nicht mehr verbergen, dass ich Ausländerin bin, weil mich schließlich meine typisch deutschen Gewohnheiten verraten…

 

Ausländer sein ist gar nicht schwer – oder?

Natürlich ist es nicht immer leicht, ein Ausländer zu sein. Andere Länder, andere Sitten. Offensichtlich kann ich einige deutsche kulturelle Gewohnheiten und Denkweisen nicht immer hinter mir lassen. Die deutsche Blase, in der ich aufgewachsen bin, ist doch immer ein wenig um mich herum. Und so entdecke ich immer wieder Dinge, die für mich total normal sind, für andere aber nicht. Wie beispielsweise die Pünktlichkeit oder das etwas längerfristige Planen. So trainiere ich hier in Malta mit einer Wasserballmannschaft, und nicht selten hat es mich einige Nerven gekostet, wenn der Trainer uns am gleichen Tag zwei Stunden vorher wissen ließ, dass wir heute doch Training haben können. Manche Leute mögen ja spontan sein (was ich eigentlich auch bin), aber wenn man direkt nach der Arbeit zum Training hetzen müsste, würde man das Ganze doch etwas früher wissen, um wenigstens die Schwimmtasche oder auch ein schnelles Abendessen dabei zu haben.

Aber auch wenn ich meine kulturellen Gewohnheiten nicht loslassen kann (und auch gar nicht will), ist es doch interessant, mal einen Schritt hinauszuwagen. Einen Schritt hinaus in eine andere Welt, eine andere Kultur, andere Sichtweisen. Meinen eigenen Hintergrund, der ja einen Teil meiner Persönlichkeit darstellt, zu vergessen, kann ich allerdings nicht. Ich kann nicht ändern, wer ich jahrelang war und immer noch bin, und verstehe auf einmal, dass es anderen Ausländern genauso geht. Wichtig ist mir aber, dass ich die Kultur des Landes, in dem ich lebe, akzeptiere und nicht versuche zu verändern. (Und dabei juckt es mir in den Fingern, Leuten beispielsweise die Pünktlichkeit beizubringen!). Ich versuche, andere Kulturen und Gewohnheiten zu verstehen, zu respektieren, und mich so gut es geht anzupassen.

Traurig finde ich es immer wieder, wenn Leute, die hier leben, deutlich sagen, dass sie keinerlei Interesse an den Maltesern, deren Kultur und Sprache haben. Irgendwie kommt mir das falsch vor. Wie kann man in einem fremden Land leben, aber sich völlig von ihm distanzieren? Für mich passt das nicht zusammen. Trotzdem kenne ich Leute, die mir erzählt haben, dass sie gar nicht erst versuchen wollen, einige Maltesische Brocken zu verstehen, obwohl sie tagein tagaus nur mit Maltesern arbeiten. „Sollen die doch Englisch reden“, obwohl man selber der Fremde ist. „Die sollten mal ihre Sichtweise ändern“, obwohl man selber eigentlich in der Position ist, sich anzupassen.

Ansonsten erwarten mich als Ausländer natürlich trotzdem auch „Probleme“. Wenn Leute mir mit Vorurteilen begegnen.  Oder wenn man beispielsweise nicht gleich behandelt wird. So hört man aus Malta immer wieder Geschichten, bei denen Ausländer schlechte Erfahrungen mit den Maltesern gemacht haben. So wird es wie selbstverständlich erzählt, dass bei einem Autounfall immer der Ausländer schuld hat. Natürlich, kennt hier in Malta doch jeder jeden und ist tendenziell der beste Freund, Schwager oder Nachbar von dem aufnehmenden Polizisten. Ob es wirklich so ist, weiß ich natürlich nicht. Vorstellen kann ich es mir aber (und da wären wir wieder bei den Vorurteilen…).

Ein Fremder ist ein Freund, den man nur noch nicht kennt.

(Irisches Sprichwort)

 

Ausländer sollten sich gefälligst mal integrieren

Integration ist gar nicht immer so leicht. Bleiben doch viele Malteser lieber unter sich. Und ich spreche nun mal auch kein maltesisch. Zum Glück ist neben Maltesisch auch Englisch offizielle Amtssprache, sodass die Kommunikation in Malta kein Problem darstellt. Irgendwie ausgeschlossen fühlt man sich manchmal aber schon, wenn man tatsächlich Dinge entdeckt, die nur auf Maltesisch geschrieben sind und die man nicht versteht. Oder wenn die Leute um einen herum Maltesisch sprechen, wohl wissend, dass die Person neben einem das nicht versteht. Und eine neue Sprache lernt man nun mal eben auch nicht von heute auf morgen.

Wie gesagt spiele ich hier mit einem maltesischen Team Wasserball. Auch hier passiert es gelegentlich, dass Maltesisch gesprochen wird. Wobei ich sagen muss, dass man sich generell doch bemüht, Englisch zu sprechen, um mich (und andere Ausländer) einzubeziehen. Vor allem Übungen und Erklärungen werden immer in Englisch erklärt. Natürlich habe ich aber auch vollstes Verständnis, wenn der Trainer in hitzigen Situationen anfängt auf Maltesisch loszuschimpfen. Und manchmal bin ich dann sogar ein bisschen froh, dass ich nicht alles verstehe, sondern nur ein paar Bröckchen und die Gestik.

Insgesamt kann ich aber den Sport generell als Hilfe zur Integration wärmstens empfehlen. Sowohl als Einheimische in Deutschland als auch als Ausländerin kann ich nur von positiver Integration im Sport erzählen. Schließlich ist Sport in allen Ländern gleich, und auch wenn man nicht die andere Sprache spricht, sind doch die Regeln gleich. Und auch die Gesten im Sport sind einfach zu verstehen. Man hat das gleiche Ziel und ist ein Team, das verbindet.

Ich habe aber auch einige wenige maltesische Freunde, die sich für andere Kulturen interessieren und sich über einen Austausch freuen. Und es kann in der einen oder anderen Situation schon mal sehr hilfreich sein, einen Einheimischen zu können. Und wird man einmal mit den Maltesern warm, stellt man ganz schnell fest, dass es sich um ein sehr freundliches und hilfsbereites Völkchen handelt.

 

Ausländer zu sein, ist nicht einfach

Dass ich Maltesisch fließend sprechen lerne, kann ich trotzdem leider so gut wie ausschließen. Dafür ist es einfach zu schwierig und nicht notwendig. Aber ein paar Brocken hier und da erfragen, aufschnappen und behalten, das ist schon mal etwas wert. Irgendwie ist es in meinen Augen auch nur respektvoll, sich mit der Kultur und der Sprache des Landes, in dem ich lebe, auseinanderzusetzen.

Als ich mich vor einiger Zeit noch über Menschen, die in Deutschland leben, aber der Sprache nicht mächtig sind (und es noch nicht mal versuchen) aufgeregt habe, kann ich jetzt doch die Hürden besser nachvollziehen.

Insgesamt würde ich sagen, dass beide Seiten für die Integration verantwortlich sind. Die Ausländer, die in ein fremdes Land kommen und willig sein müssen, sich für das Neue zu öffnen. Und die Einheimischen, die das Fremde akzeptieren und ihm eine Chance geben müssen.

Denn es ist nicht immer leicht, ein Ausländer zu sein.

 

Was sind deine Erfahrungen als Ausländer?

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Julia

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