Familie Vermissen Entfernung Distanz Liebe Abschied Hand Tür
[ Auslandsaufenthalt ][ Dies & Das ]

Sag mal, vermisst du eigentlich deine Familie nicht?

Sag mal, vermisst du eigentlich deine Familie nicht?

Es gibt eine Frage, die mir vor allem die Malteser immer wieder stellen. Sag mal, vermisst du deine Familie eigentlich nicht total? Öhm, ehrlich gesagt, nicht wirklich. Bumm. Und dann werde ich komisch angesehen. Fast ungläubig. Als ob irgendetwas mit mir nicht stimmen würde. Aber, du siehst sie jetzt doch total lange nicht. Jap, dass ist richtig. Aber es gibt ja ein Handy, WhatsApp und Skype. Und selbst als ich noch in Deutschland gelebt habe, habe ich sie nicht so oft gesehen. Wow. Große Augen. Wenn ich dann erkläre, dass ich die letzten fünf Jahre vor Malta in einer anderen Stadt als meine Familie gelebt habe und mir dem Zug pro Fahrt um die drei Stunden gebraucht habe, wird das Unverständnis noch größer.

Natürlich. Die Malteser kennen solche Entfernungen gar nicht. Mit dem Auto ist auf Malta alles nur einen Katzensprung entfernt. Wenn man zu einem Ort 20 Minuten fahren müsste wird schon abgewägt, ob man diese Strecke wirklich auf sich nehmen möchte. Eine Fahrt mit der Fähre nach Gozo (Nachbarinsel von Malta) kommt einer Weltreise gleich. Kein Scherz! Es gibt Malteser, die Gozo sogar als Ausland bezeichnen, dabei gehört Gozo zu Malta.

 

„Sag mal, vermisst du eigentlich deine Familie nicht?“

„Nö, ich liebe sie sogar mehr, wenn ich sie nicht täglich sehe“, sage ich dann mit einem Augenzwinkern. Ich bin durchaus in der Lage, mein eigenes Leben zu führen und eigene Entscheidungen zu treffen. Einige Konflikte sind vermeidbar, wenn man sich nicht jeden Tag auf der Pelle sitzt und sich überall einmischt.

Die Familien der Malteser wohnen entweder im gleichen Haus oder zumindest noch in der selben Straße. Bei seinen Eltern bleibt man auch schon mal wohnen, bis man Mitte dreißig ist. Es sei denn, man heiratet vorher. Klar, ausziehen macht nicht unbedingt Sinn, ist doch mit dem Auto jeder Ort in Malta ohne Probleme zu erreichen. Miete zu zahlen wäre nur reine Geldverschwendung und auf Malta auch wirklich teuer. Abgesehen davon stehen sich die maltesischen Familien sehr nahe.

Und dann trifft man auf Leute wie mich. Die aus einem anderen Land für ein paar Monate alleine nach Malta kommen. Und die sogar vorher schon nicht täglich oder wöchentlich die Eltern gesehen haben. Und die dann noch spontan entschieden, eine noch längere Zeit im Ausland zu leben. Da treffen natürlich Welten aufeinander.

 

Ein bisschen vermisse ich meine Familie aber doch

Es ist natürlich nicht so, dass ich meine Familie überhaupt nicht vermisse. Aber nicht mehr, als ich es in Deutschland, wenn ich in einem anderem Ort leben würde, nicht auch tun würde. Es ist immer noch so, dass ich, wenn ich verzweifelt bin, meine Eltern anrufe oder eine Nachricht schreibe. Manchmal braucht man eben den Rat von seiner Familie, ganz ohne geht es dann doch nicht. Besonders schade finde ich es, wenn ich Familienfeiern und besondere Anlässe verpasse. Natürlich kann man manche Sachen im Voraus planen, aber richtig spontane Dinge sind nicht wirklich möglich. Generell ist das „mal eben vorbeikommen“ nicht möglich. Schließlich muss ein passender Flug vorhanden sein, und auch Urlaub muss auf der Arbeit beantragt werden.

Und auch wenn ich weit weg wohne, ändern sich manche Dinge doch nie. So ist bei technischen Fragen oder Problemen immer noch mein Papa meine erste Anlaufstelle. Und als mir letztens ein Hund das Kleid zerrissen hat, war meine Mama die erste Person, die eine Nachricht erhalten hat, ob man (sie) das wieder hinbekommen kann. Für manche Dinge benötigt man seine Familie eben doch.

Insgesamt würde ich sagen, dass ich meine Familie genauso sehr vermisse, als wenn ich in Deutschland in einem anderen Ort leben würde. Wie groß die Entfernung im Endeffekt ist, macht für mich eigentlich auch keinen Unterschied mehr. Ich glaube, dass ich auch deshalb so relaxt damit umgehen kann, weil ich weiß, dass ich jederzeit nach Deutschland fliegen könnte. Im Gegensatz dazu habe ich hier in Malta auch schon Leute getroffen bei denen es nicht so ist. Die unter keinen Umständen wieder in ihr Heimatland zurückkehren können oder wollen, weil die Situation dort zu schlimm ist. In diesem Fall verstehe ich, dass das Wissen, dass es kein Zurück mehr gibt, einen stärkeren Einfluss auf das Vermissen der Familie hat. Da ich aber Glück habe, muss ich mir um solche Dinge keine Gedanken machen.

Und sogar meine Eltern haben schon mal durchblicken lassen, dass die Entfernung doch gar nicht so schlimm ist wie erwartet. So viel anders als während meines Studiums ist es ja doch nicht, und dadurch, dass man mit WhatsApp und Skype verknüpft ist, ist es fast so, als ob der andere fast dabei ist.

Hast du das Gefühl, dass du deine Familie mehr vermisst, wenn du im Ausland lebst, als wenn du in Deutschland lebst?
Tags: , , , ,

Julia

4 Kommentare

  1. Super Post. Ich bin zwar mittlerweile wieder nach vier Jahren im Ausland zurück, aber mir erging es dir haargenau wie dir. Es macht wirklich keinen Unterschied, ob ich mich 10 Stunden in ein Flugzeug setze um von China nach Deutschland zu fliegen oder 5 Stunden in den Zug setze, um einmal quer durch die Republik zu fahren. Sowas macht man nicht jedes Wochenende. Bin aber froh, dass es die heutige Technik gibt. Mag mir gar nicht vorstellen, wie das allein vor 20 Jahren war im Ausland zu leben!

    1. Oh ja, ich bin auch super froh über die Technik, das macht doch vieles einfacher 🙂

  2. Schöner, interessanter Text !
    Ich hatte sogar immer das Gefühl, dass ein Auslandsaufenthalt noch viel mehr zusammenschweißt, weil man eben denkt „Oh so weit weg“ und deswegen vielleicht sogar mehr Kontakt hat, als wenn beide Seiten in einem Land, aber vielleicht in anderen Städten leben.
    Mich würde deine Sichtweise zu Freundschaften in Bezug auf deinen Aufenthalt interessieren. Zum einen, wie haben sich deine alten Freundschaften verändert/gehalten etc. und zum anderen, wie du es empfindest in Malta Freundschaften einzugehen, evtl. mit dem oder ähnlichen Gedanken so vielen internationalen Freundschaften eventuell gar nicht gerecht werden zu können (wie es bei mir der Fall war).

    1. Oh, dass ist wirklich eine interessante Frage, damit werde ich mich definitiv auch mal beschäftigen.
      Spontan würde ich sagen, dass vieles, was ich geschrieben habe, auch für meine Freundschaften gilt, auch wenn manche Dinge sicherlich anders sind. Und ich stimme dir zu, internationalen Freundschaften gerecht zu werden, kann wirklich eine Herausforderung sein. Das merke ich vor allem jetzt, nachdem viele meiner Freunde nach ihrem Austausch wieder zurück in ihr Heimatland sind.

Kommentare

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*